Einsprache gegen Veranlagungsentscheide
1. Allgemeines
Gegen den Veranlagungsentscheid kann der Steuerpflichtige innert 30 Tagen nach Zustellung bei der Veranlagungsbehörde schriftlich Einsprache erheben. Der Steuerpflichtige braucht die Einsprache nicht zu begründen, es sei denn, es liege eine Ermessensveranlagung vor (vgl. StP 164 Nr. 3).
Das Einspracheverfahren ist in der Regel mündlich und kostenlos. Auf Antrag des Steuerpflichtigen oder der Veranlagungsbehörde wird es schriftlich durchgeführt. Im Einspracheverfahren hat die Behörde die gleichen Befugnisse wie im Veranlagungsverfahren. Ein Rückzug der Einsprache ist unbeachtlich, wenn anzunehmen ist, dass die Veranlagung unrichtig war.
Die Behörde kann alle Steuerfaktoren neu festsetzen. Nach Anhören des Steuerpflichtigen kann sie die Veranlagung auch zu seinem Nachteil abändern. Der Entscheid ist kurz zu begründen. Der Einsprecher kann auf eine schriftliche Begründung verzichten.
2. Formerfordernisse
Die Einsprache muss schriftlich erhoben werden. Zudem muss sie eine eigenhändige Unterschrift des Einsprechers oder seines Vertreters enthalten. Eine Einsprache per Telefax oder Email ist deshalb nach geltender Rechtssprechung des Bundesgerichts nicht gültig, da es am Erfordernis der Originalunterschrift mangelt.
Gemäss § 164 Abs. 2 StG muss eine Einsprache gegen eine Ermessenseinschätzung überdies begründet sein und allfällige Beweismittel nennen (vgl. StP 164 Nr. 3).
Wird eine Einsprache mündlich auf dem Steueramt vorgetragen, erfordert dies zur Wahrung der schriftlichen Formvorschriften zumindest ein Protokoll und eine unterschriftliche Bestätigung der Einsprache von seiten des Steuerpflichtigen in Gegenwart des Steuerbeamten.
3. Fristwahrung
Zur Wahrung einer Frist müssen schriftliche Eingaben vor Ablauf der Frist der Steuerbehörde oder der schweizerischen Post übergeben werden. Die Beweislast für die rechtzeitige Zustellung trägt der Steuerpflichtige. Da es sich bei der Einsprachefrist um eine gesetzliche Frist handelt, kann sie keinesfalls erstreckt werden.
Auch bei eigener Datierung mit einem Frankiermaschinenstempel ist für die Frage der Fristwahrung auf den amtlichen Poststempel abzustellen, da private Frankiermaschinenstempel manipuliert werden können. Bei Verwendung einer Frankiermaschine trägt der Absender das Risiko, den Nachweis der rechtzeitigen Postaufgabe mit anderen tauglichen Mitteln (z.B. Vermerk von Zeugen auf der Sendung) zu erbringen.
4. Fristwiederherstellung
Nach § 26 VRG kann eine versäumte Frist auf begründetes Gesuch hin wieder hergestellt werden, wenn den Säumigen oder seinen Vertreter kein Verschulden trifft. Das Fristwiederherstellungsgesuch ist innert 14 Tagen seit Wegfall des Hinderungsgrundes bei der Veranlagungsbehörde einzureichen.
Die Fristwiederherstellung ist in der Steuerpraxis unter StP 164 Nr. 2 detailliert beschrieben.
5. Neuansetzung einer Einspracheverhandlung
Eine neue Einspracheverhandlung wird nur angesetzt, wenn sich der Steuerpflichtige vorher entschuldigt hat oder wenn wichtige Gründe wie Landesabwesenheit, Krankheit oder Militärdienst ihn an einer rechtzeitigen Entschuldigung gehindert haben (§ 39 StV). Damit sind dieselben Gründe wie bei der Fristwiederherstellung gemeint (vgl. StP 164 Nr. 2). Eine Neuansetzung einer Einspracheverhandlung ist also in der Regel nur dann gerechtfertigt, wenn sich der Steuerpflichtige vorher entschuldigt hat.
Das Vergessen eines Termins kann beispielsweise nie einen Entschuldigungsgrund von der Art bilden, der im Sinne von § 39 StV zulassen würde, dass eine neue Einspracheverhandlung angesetzt werden kann.
Nimmt der Pflichtige an der angesetzten Einspracheverhandlung unentschuldigt nicht teil, so nimmt die Veranlagungsbehörde den Einspracheentscheid aufgrund der vorhandenen Akten vor. Dabei wird auf allenfalls in einer schriftlichen Einsprachebegründung vorgebrachte Argumente eingegangen. Lässt die Aktenlage keinen Entscheid zu, werden zusätzliche Unterlagen von den Steuerpflichtigen einverlangt.
6. Begründungspflicht
Das Thurgauische Verwaltungsrechtspflegegesetz (VRG) sieht in § 18 Abs. 1 Ziff. 2 die Begründungspflicht von Verfügungen vor.
Unter Vorbehalt abweichender Vorschriften können Entscheide der Verwaltungsbehörden ohne Begründung eröffnet werden:
- soweit unbestrittenen Begehren voll entsprochen wird (VRG 19 Ziff. 1);
- sofern gegen den Entscheid die Einsprache bei der gleichen Behörde zulässig ist (VRG 19 Ziff. 2; z.B. Veranlagungsverfügungen, aber § 163 Abs. 2 StG, (StP 163 Nr. 1 Ziff. 1).
Das Thurgauische Steuergesetz als Spezialgesetz zum VRG schreibt für Einspracheentscheide ebenfalls die Begründungspflicht vor. Fehlt dieses Formerfordernis, liegt in einer ungenügenden Begründung eines Entscheides eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs. Die Mangelhaftigkeit bei Vorliegen eines Motivierungsansatzes bewirkt bloss die Anfechtbarkeit des Entscheides. Fehlt aber jegliche Begründung, ist dieser Mangel nicht heilbar. Es liegt ein nichtiger Entscheid vor.
Wenn anlässlich der Einspracheverhandlung die Probleme ausführlich besprochen und begründet werden, liegt jedoch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor. Die Begründung muss nicht auf jedes vorgebrachte Argument des Steuerpflichtigen eingehen. Die Behörde darf sich darauf beschränken, die wesentlichen Entscheidungsgründe festzuhalten. Zu offensichtlich haltlosen Vorbringen muss nicht Stellung genommen werden (vgl. Haubensak/Litschgi/Stähelin, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Thurgau, N 1 zu § 18 VRG).
Im Weiteren richtet sich der Umfang der Begründungspflicht nach der Komplexität des zu beurteilenden Sachverhaltes (Pra 74 (1985) Nr. 171). Der Einsprecher kann zudem auf eine schriftliche Begründung verzichten (§ 166 Abs. 2 StG).
7. Erfordernis der Unterschrift
Gemäss § 18 Abs. 1 Ziff. 8 VRG muss ein Entscheid die erforderlichen Unterschriften enthalten. Handelt es sich jedoch nicht um eine Verwaltungsstreitsache, kann bei einer Vielzahl gleichartiger Entscheide in Form von Computerausdrucken auf die Unterschrift verzichtet werden (§ 18 Abs. 3 VRG).
Beim Veranlagungsverfahren handelt es sich ohne Zweifel um ein Massenverfahren, bei dem auf die Unterschrift verzichtet werden kann. Das Einspracheverfahren ist ebenfalls keine Verwaltungsstreitsache, sondern führt das Veranlagungsverfahren weiter und zum Abschluss. Das geht bereits aus § 166 StG hervor, welcher bestimmt, dass die Behörde im Einspracheverfahren alle Steuerfaktoren neu festsetzen kann. Dementsprechend rechtfertigt es sich, § 18 Abs. 3 VRG auf das steuerrechtliche Einspracheverfahren anzuwenden und vom Gültigkeitserfordernis der Unterschrift beim Einspracheentscheid abzusehen.
Praxisgemäss werden die Einspracheentscheide vor allem höflichkeitshalber trotzdem unterschrieben. Dies ändert aber nichts daran, dass der Einspracheentscheid auch ohne Unterschrift gültig ist.
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